2008/09/18

'Stella'

ist die Geschichte einer Schauspielerin, meiner Ausgabe Anais Nins 'Unter einer Glasglocke' mit der Überschrift 'Eiszeit' beigefügt. Es wird auf Nins eigene, teilweise surrealistische Weise, die Dramatik einer zerbrechlichen Frau dargestellt. Da für mich selbst das Thema Liebesbeziehung relevant ist, möchte ich nur Aspekte aus dem Bereich der Geschichte zitieren, die sich damit beschäftigen. Stella hat eine Affäre mit Bruno, einem verheirateten Mann, der ihre schauspielerischen Fähigkeiten nicht zu beurteilen weiss, da er sie ausschließlich durch die gemeinsamen Gefühle kennt.

Sie lernen sich kennen: "Er sah sie vor sich, aber er sah nicht Stella, sondern seine Traumvorstellung von ihr. (...) Für Stella stand diese Liebe von Anfang an unter dem Zeichen des Zweifels, für Bruno unter dem Sternbild des Vertrauens.
(...)
Sie kamen aus zwei verschiedenen Welten: Stella verzehrt vor Hunger nach Liebe, Bruno von der Leere seines Lebens."


Im Aufblühen der Liebe, die eigentlich nicht über Verliebtheit hinausreicht, erlebt Bruno Trennungsängste: "Der leichteste Widerspruch (und sie liebte Widersprüche) entfernte sie ihm und er litt darunter. Dieses Leiden konnte nur durch ihre Gegenwart gelindert werden...", gleichzeitig verspürt er seiner Frau gegenüber Verpflichtungen, die der Beziehung zu Stella Dauerhaftigkeit verwährt: "Für einen nächtlichen Traum konnte er nicht alles, was er in seinem Tagleben geschaffen (...) hatte, über Bord werfen. Stella verkörperte den nächtlichen Traum, das Unbeständige, das Flüchtige, das erst in der Nacht zurück kehrt."

Stella ist in ihrer Begierde zu diesem Mann hin und her gerissen: " ...wollte nicht die Rolle seiner Frau übernehmen oder ihren Platz einnehmen.
(...)
Nur absoluter Besitz beruhigte ihre Furcht."

Dieser Konflikt in Stella wird größer und größer, ohne einen wirklichen Höhepunkt zu erreichen, während Bruno in ihr immer mehr Halt findet: "Er sah ihn (den Zustand zwischen beiden) weniger vom Tod bedroht als seine erste Liebe, die der Routine des Alltags zum Opfer gefallen war. (Denn von einem bestimmten Augenblick an war das Gesicht seiner Frau nicht mehr das Gesicht seines Traums. Es wurde zum Gesicht seiner Mutter. In dem Moment, in dem der Traum starb, verwandelte sich sein Zuhause in das irdische, traumlose Haus seiner Kindheit, und seine Kinder wurden die Spielgefährten seiner Jugend.)"
Ihre Wahrnehmung ist eine ganz andere: "Der Dämon des Zweifels beherrschte sie, der (...) sichtbare Beweise verlangte, Beweise der Liebe in der realen Welt, die mit tödlicher Sicherheit den Traum zerstörten, (...). Stellas Ängste forderten verzweifelt eine Rückversicherung. Wenn er ihretwegen alles aufgäbe, bedeutete dies für sie, dass er ihrem gemeinsamen Traum seine ganze Liebe schenkte, während für ihn alles aufzugeben bedeutete, Stella ein schächeres Ich zu schenken (denn seine Leidenschaft war die Liebe zum geträumten Ich und nicht zum Alltags-Ich)."

Dennoch wächst die Liebe zwischen beiden: "Er sprach ihren Namen so aus, als kröne er sie zur Favoritin. Er machte jedes Beisammensein zu einem abgerundeten, vollständigen Erlebnis, das von der Leidenschaft eines großen Hungers erfüllt war.
(...)
Die verlorenen und verpassten Augenblicke des Zusammenlebens, die verlorenen und verpassten Gesten gaben dem Freudenfeuer, das nur die kennen, deren Leben kurz ist, verzweifelte Nahrung.
(...)
Doch Stella bat stumm bei jedem Atemzug das Zweifels und der Angst: 'Lass uns zusammenleben' (als könne ein gewöhnliches Leben Sicherheit bieten!)
(...)
Jeden Tag kam er mit neuen Augen, die nicht durch Gewöhnung getrübt waren, zu ihr, (...), die sie jedesmal wie einen neuen, unbekannten Menschen vollständig umfingen."


Schließlich erreicht Stella doch noch den Höhepunkt der Beziehung, bezeichnenderweise allein: "Doch wenn er gegangen war, (...), dann überfiel sie von neuem der Zorn über die Schranken (...).
(...)
Um der Liebe willen musste sie absolut alles erobern und zerstören, aber sie wusste nicht, dass sie in diesem Moment zum Feind der Liebe, zu ihrem Henker wurde.
(...)
Eine Liebe, die nicht alle Hindernisse überwinden konnte (wie in den Mythen und Legenden romantischer Zeiten), war für sie keine Liebe."


Den Untergang führt Stella herbei: "Gegen die mechanische Forderung des Telefons schraubte sich die Musik wie ein mystischer Wolkenkratzer empor und triumphierte.
(...)
Erneut klingelte das Telefon. (...) Sie brauchte die Treppe, das Fenster, das Konzert als Hilfen, um eine unzugängliche Region zu erreichen, wo das Telefon klingeln mochte wie ein beliebiges mechanisches Instrument, ohne in ihr Widerhall hervorzurufen.
(...)
Nur die Musik war in der Lage, diese Stufen der Abgeschiedenheit zu erklimmen, (...), ohne die Macht zu besitzen, sie in ein Leben mit Bruno und in den Sog des Leidens zurückzuziehen."

Die Geschichte geht noch weiter, berührt noch andere Aspekte des Lebens und endet, wie sollte man es anders erwarten, traurig. Aber es bleibt Stellas Geschichte.

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